Zusammenfassung: die wichtigsten Regeln für lesbare Texte

Kriterien für gute Texte: 

- orientieren sich an der Zielgruppe: Alter, Wissensstand, Motivation für die Lektüre, Aufmerksamkeitsgrad

- schaffen einen Anreiz, sodass Leser_innen sie lesen möchten

- behandeln ein erkennbares Thema und sind so aufgebaut, dass sie aufkommende Fragen beantworten 

- sind in einer verständlichen, lesbaren Sprache verfasst


Zusammenfassung von Joseph Pulitzer (ungarisch-amerikanischer Journalist, 1847-1911): 

"Was immer du schreibst, schreibe kurz, und sie werden es lesen. Schreibe klar, und sie werden es verstehen. Schreibe bildhaft, und sie werden es im Gedächtnis behalten."


Was macht verständliche, lesbare Sprache aus?

Keep it short and simple (KISS): Einfachheit siegt. Frage dich bei langen, komplizierten Sätzen immer, ob es nicht einfacher geht. Geht nicht? Dann prüfe, ob du das, was du erklären oder beschreiben möchtest, wirklich verstanden hast. Manchmal drückt man sich kompliziert aus, weil man sich nicht sicher ist oder eine klare Aussage vermeiden möchte. Wenn das der Fall ist, dann recherchiere noch einmal nach oder versuche herauszufinden, weshalb du die Aussage scheust. Beachte jedoch: Ein Text, in dem ein kurzer Satz auf den anderen folgt, wirkt stakkatohaft und langweilig. Variiere die Satzlängen. Generell gilt jedoch, dass Sätze mit mehr als 26 Wörtern schwer verständlich sind, vor allem dann, wenn sie Einschübe enthalten, die zum Beispiel Verben auseinanderreißen (dieser Satz hat 25 Wörter). Linear aufgebaute lange Sätze oder lange Sätze mit vielen Aufzählungen hingegen sind weniger problematisch. 

Aktiv statt Passiv: Einfaches Beispiel: "Abteilungsleiter Mayer wurde gebeten, auf der Firmenfeier eine Rede zu halten." Aus mehreren Gründen ist dieser Satz nicht optimal. Erstens: Wir erfahren nicht, wer Herrn Mayer gebeten hat. Es macht einen großen Unterschied, ob die Angestellten Herrn Mayer baten oder die Firmenchef_in. Bei Passiv-Formulierungen verschweigen wir - ob gewollt oder ungewollt -, wer die Täter_innen sind. Zweitens: Aktiv-Formulierungen klingen dynamischer, weniger bürokratisch. Der Handelnde steht im Vordergrund. Wir lesen lieber Texte mit agierenden Personen, als Texte, in denen etwas mit Personen geschieht. 

Nominalstil meiden: Funktionsträger_innen und Politiker_innen reden besonders gerne im Nominalstil, deshalb wird er auch als Bürokratendeutsch bezeichnet. Beispiel: "Ich habe eine Inaugenscheinnahme des Betriebs in Erwägung gezogen." Einfach ausgedrückt: Ich habe überlegt, mir den Betrieb anzusehen. Wobei das "Ich" ähnlich wie bei Passiv-Konstruktionen nicht eindeutig ist. Es könnte auch sein, dass die sprechende Person überlegt hat, andere in den Betrieb zu schicken. Nominalstil ist nicht nur unschön zu lesen, sondern lässt auch Fragen offen - genau deshalb ist er so beliebt. Wichtig ist, dass Journalist_innen diese Formulierungen nicht übernehmen. Dazu müssen sie oftmals nachhaken. Im oben genannten Beispiel lautete eine Frage etwa: "Möchten Sie sich den Betrieb selbst ansehen?". Nominalstil entsteht u.a., wenn man Verben substantiviert. Also statt "bewältigen" von "Bewältigung" spricht. Findest du in deinem Text auffällig viele Substantive, die auf -ung, -heit, -keit, -mus oder -ion enden, dann prüfe jedes einzelne darauf, ob du es nicht zu einem Verb umformulieren kannst.  Grundsätzlich gilt: Verben machen einen Text dynamisch, Substantive statisch.  

Starke Verben verwenden: Verb ist nicht gleich Verb. Verben wie liegen, geben, stehen, durchführen, sich handeln um, über etwas verfügen, etwas verursachen, erfolgen oder bewerkstelligen beschreiben Zustände, sind eher passiv angelegt oder verführen zu Substantivierungen. Beispiel: "Die Rede des Bürgermeisters rief Buhrufe hervor." Zwar ist das keine Passivformulierung, doch das Verb "hervorrufen" verschweigt, wer hervorruft. "Das Publikum buhte den Bürgermeister aus" klingt gleich anders. "Buhen" ist ein kräftiges Verb. Etwas passiert. Das Bild von buhenden Menschen prägt sich Leser_innen ein.  

Adjektive sparsam einsetzenPrüfe bei jedem Adjektiv, ob du es wirklich brauchst. Ob das Substantiv es nicht bereits enthält, wie in diesen Fällen: alter Greis, schwere Verwüstung, dünner Rinnsal, hoher Wolkenkratzer. Oder ob das Adjektiv nicht einfach überflüssig ist wie bei Ausdrücken wie "im schulischen Bereich" - gemeint ist "in der Schule".

Synonyme, aber nicht um jeden Preis: Grundsätzlich macht es einen Text eleganter, wenn du nicht dauernd dasselbe Wort benutzt, sondern Alternativen verwendest, die womöglich noch Zusatzinformationen liefern. Zum Beispiel statt "Graz" gelegentlich "steirische Landeshauptstadt" oder auch "Murmetropole" verwendest. Übertreibe es aber nicht, sonst wirkt es zu bemüht. Und achte darauf, dass trotz der Synonyme klar ist, wovon die Rede ist. Verständlichkeit geht vor. 

Vorsicht bei wertenden Wörtern: Noch, sogar, schon, bereits sind Beispiele für Wörter, die werten. Passt die Wertung, setzt du sie bewusst ein? Oder hast du sie unüberlegt übernommen? Beispiel: "Die Stadt XY hat bereits 50 Flüchtlinge aufgenommen." Das Wort "bereits" legt nah, dass 50 viel sind. Stimmt das? Oder haben andere Städte vielleicht viel mehr Flüchtlinge aufgenommen? 

Show don't tell: Bildhafte Szenen prägen sich Leser_innen stärker ein. Sie sind zudem glaubwürdiger als Behauptungen, weil Leser_innen sich selbst ein Bild machen können - zumindest glauben sie das. Vergleiche diese beiden Szenen: 

Nach einer kurzen Pause fügte Sina hinzu: „Mein Vater war auch ein paar Semester hier.“ Ehrlich“, sagte Rudi, aber er schien keine Lust mehr zu haben, das Thema zu vertiefen.

vs.

Nach einer kurzen Pause fügte Sina hinzu: „Mein Vater war auch ein paar Semester hier.“ Ehrlich“, sagte Rudi und gähnte. Er rutschte ein wenig den Stuhl hinunter und hielt sich die Zeitung vors Gesicht.

Im ersten Ausschnitt behauptet die Verfasser_in, dass Rudi keine Lust hat, im zweiten zeigt sie es. Das Prinzip Show, don't tell ist vor allem in Reportagen und Portraits wichtig!





Zuletzt geändert: Dienstag, 23. Juni 2020, 13:55